Photo by Stefan Groenveld
Ich bin jetzt seit einer Weile damit beschäftigt, die Startups dieser Stadt zu scannen und nach interessanten Storys für unseren Kunden die Startup-Unit der Hamburg Invest zu schauen. Als Dankeschön, wurde ich zum Reeperbahn Startup Pitch am 07.11. in den Mojo-Club eingeladen.
Die Handelskammer datet in einem »Love-Mobil« Leute mit Gründungsvorhaben und Wladimir Klitschko, der jetzt seine Einkommensquelle vom Boxen zum gelenkschonenden Workshops-Geben verlagert hat, gibt Business-Tipps. Tagsüber haben verschiedenste Workshops rund um die Location stattgefunden und ein langer Tag würde noch mit einer Aftershow-Party ausklingen. Im Mittelpunkt standen aber trotzdem die vielen internationalen Startups, die mit ihrer Performance ein Ticket für das SXSW-Festival in Austin, Texas gewinnen konnten. In der frohen Erwartung mich von einigen gut auf den Punkt gebrachten und wohl artikulierten Geschäftsideen begeistern zu lassen, machte ich mich auf den Weg zur Reeperbahn. Der Höhepunkt des Events war für um 18.00 Uhr angesetzt, wenn 6 vorausgewählte Startups sich für jeweils fünf Minuten der Jury präsentieren würden, um sich danach weitere fünf Minuten Zeit für die Fragen derer zu nehmen. Aber schon Stunden vorher wurde unermüdlich gepitched. Jeweils 4 Startups aus einem Themenbereich, wie zum Beispiel Mobility oder Fintech, stellten sich Publikum und Fachjury. Schon hier sind gute Pitches dabei gewesen. Welche, die mich eben dazu in die Lage versetzen, mir ein Bild von dem Startup und dem Vorhaben zu machen. Das ist mir sehr wichtig; ich möchte ja vor allem die Idee verstehen, die dem Ganzen zu Grunde liegt und nicht nur hören, dass ich nie wieder Excel verwenden muss und dass das Startup die coolste Family aller Zeiten hat.
Nach den vielen guten Präsentationen am Nachmittag und Abend möchte ich einmal festhalten, was die Auftritte für mich besonders gut gemacht hat. Was sollte für einen guten Eindruck auf der Bühne getan werden? Es gibt in den Weiten des Internets nun sicherlich bereits ausreichend Ratschläge zu einem guten Pitch. Klar, die W-Fragen wollen beantwortet, die Idee muss nahegebracht und es sollte eine Geschichte erzählt werden. Das Timing sollte stimmen und am besten sagt man seinen Text auf der Bühne nicht zum ersten Mal auf. Wir kennen die Basics. Aus diesem Grund möchte ich einmal die Gelegenheit nutzen und eine kleine Analyse vornehmen, die die kleinen Tricks der Gründer vom Reeperbahn Pitch etwas ausleuchten soll. Das was man noch extra tun kann, wenn die Basics sitzen. Hier und da sind mir ein paar Sachen als trickreich aufgefallen, die ich noch in keinem Gründerszene-Artikel vorgebetet bekommen habe.
Femtasy
Was mir bei Femtasy sehr positiv aufgefallen ist, war die sehr gute Selbsteinschätzung der Außenwahrnehmung des Unternehmens. Sie wussten genau, wo sie im Ökosystem stehen und was Leute denken könnten, die von ihnen hören. Als Startup, dessen Produkt erotische Hörspiele für Frauen sind, ist das von besonderer Bedeutung. Sie haben den Pitch so gestaltet, dass die Hörspiele ein Lifestyleprodukt sind, die nichts mit schattigen Internetpornos zu tun haben sollen, die moralische Grenzen haben und die das weibliche Sexualleben erheitern sollen. Ganz abgeklärt und mit dem Anführen einer Studie, dass nur 30% aller Frauen von Videos erregt werden, stellte Femtasy sich in die Mitte der anwesenden Gesellschaft. Das Bewusstsein über die Art und Weise, wie sie wahrgenommen werden könnten und wie sie dem entgegensteuern brachte ihnen am Ende auch ein Ticket zum SXSW-Festival ein.
Hyconnect
Der Gründer von Hyconnect hat das getan, was viele Startups heute gar nicht mehr können. Er hat sein Produkt in seine Hand genommen und mitgebracht. Der spätere Sieger des Pitches hat mit seiner Technologie, Metall- und Plastikbauteile quasi zu verweben, die Jury überzeugt. Auch wenn anhand seiner kleinen mitgebrachten Verbindung nicht sicher gesagt werden kann, dass das dann auch bei Containerschiffen und Autos ein Weg in den Leichtbau ist – ich habe es gesehen. So einfach es auch klingt.
Modularity Grid
Die Gründerin von Modularity Grid ist Oxford-Alumnus und befindet sich in Verhandlungen mit der Europäischen Raumfahrtagentur, da ihr Produkt die Energieversorgung von Satelliten revolutionieren könnte. Da ich weder weiß, wie Satelliten so wirklich funktionieren, geschweige denn, wie sie mit Strom versorgt werden, war ich über ihren Vergleich sehr froh. Sie verglich die Energieversorgung mit einem Datenplan für Handys. Es sei zur Zeit wie ein Datenplan, bei dem man genau festlegen müsse, wie viele Minuten man telefoniert, wie viele surft und wie viele SMS man verschicken will. Weicht man irgendwie vom Plan ab, ist das Handy kaputt. Die Energieversorgung ist also zu unflexibel und schnell an ihre Grenzen gebracht, mit dann sehr teuren Folgen. Durch einen geschickten Vergleich kann man viel Bezug zu einem Thema herstellen, was nicht in die Expertise der Meisten fällt.
Cuca Intima
Der Pitch war ganz gut und das Fem-Tech konnte sicherlich einige Leute für sich begeistern. Die Online-Plattform vertreibt umweltfreundliche Produkte für die Intimgesundheit von Frauen jeden Alters und bietet dazu eine sehr persönliche Beratung ohne Tabus. Der Mojo-Club war zu den Haupt-Pitches richtig voll und Wladimir Klitschko war der einzige, der so wirklich aus der Menge herausstach. Und eben Linda Wonneberger, die Gründerin von Cuca Intima, die in einem knallig roten Kostüm gut zu lokalisieren war, für jeden, der noch offene Fragen oder Investitionsbudgets hatte.
JobMatchMe
Wer weiß, wie sehr Daniel von JobMatchMe für sein Konzept brennt, der weiß auch, dass er kaum Trickserien braucht, um zu überzeugen. Was mir aufgefallen ist, ist bei JobMatchMe der Mut zur Langsamkeit in einer sehr schnelllebigen und fordernden Startup-Welt. Das HR-Tech möchte das Recruiting für nicht-akademische Fachkräfte umkrempeln, indem sie per Machine Learning Arbeitnehmer und -geber matchen. Angefangen haben sie mit ihrem proof-of-concept, welches erstmal nur Trucker anspricht. Weitere Berufsfelder werden ins Auge gefasst und er stellte schon Pläne für beispielsweise Pflegeberufe vor. Dennoch wird absolut nichts überstürzt. Es wird nichts versprochen, was nicht sicher ist und es gibt keine ambitionierten Prognosen. JobMatchMe hat sicherlich sehr großes Potenzial, aber setzt dennoch auf gesundes Wachstum und bringt keine voreiligen follow-ups auf den Markt, bevor nicht die Nachfrage nach einem Produkt abgeschöpft wurde. Ich finde das in dieser Form selbstbewusst und bedacht und gut, es auch so zu kommunizieren.
Localyse
Die Gründerin von Localyse hatte nicht nur die Zeit, sich selbst und ihr Business vorzustellen, sondern konnte sich auch noch leisten, ihre beiden Kolleginnen vorzustellen, die das Dreigespann komplettieren. Wenn es passt – Warum nicht das ganze Team vorstellen? So weiß auch die Jury und ein möglicher Investor, wie die Prozesse intern in etwa ablaufen und wie es um die Verantwortlichkeiten steht. Localyse bietet Softwarelösungen für Unternehmen an, die hilft, Mitarbeiter unkompliziert und kostengünstig zu relokalisieren mit Visa, Versicherung und allem, was dazu gehört.
Ob das nun alles auch als kleines Extra geplant war, sei dahingestellt, aber mir ist es immerhin positiv aufgefallen und war für mich teilweise auch sehr hilfreich. So oder so war es eine schöne Veranstaltung, bei der tolle Startups aufgetreten sind, die nicht nur die Basics der Pitchkunst beherrschen, sondern auch wissen, wie man in den Köpfen bleibt und verstanden wird.
Mir war es eine große Freude, dieses Event zu besuchen und mich von vielen Neuheiten begeistern zu lassen, die nicht nur eine eine Reinkarnation von Office-Programmen in Form von Web-Interfaces waren.